Die Illusion des Griffhabens
Die Vorstellung, alles im Griff zu haben, wirkt tröstlich. Sie suggeriert, dass wir dem Leben seine Unberechenbarkeit nehmen können. Doch wer ständig versucht, alles zu steuern, erlebt meist das Gegenteil – ein wachsendes Gefühl der Anspannung. Je enger wir unser Leben kontrollieren, desto größer wird die Angst, etwas zu verlieren. Kontrolle beruhigt nur scheinbar.
Wenn Kontrolle zur Falle wird
Kontrolle beginnt oft unmerklich. Wir wollen nur sicher sein, dass der Partner uns liebt, dass der Körper gesund ist, dass keine Fehler passieren. Doch aus dem Bedürfnis nach Sicherheit kann leicht eine innere Starre werden.
Wer ständig überprüft, kontrolliert oder perfektioniert, lebt im Bann der Angst. Das Kontrollieren eines geliebten Menschen aus Verlustangst, das ständige Scannen des Körpers aus Angst vor Krankheit, oder das minutiöse Planen jedes Details – all das sind Versuche, Unsicherheit zu bannen. Doch sie führen dazu, dass das Leben enger wird.
Der Ursprung: Angst vor Kontrollverlust
Das Bedürfnis nach Kontrolle entspringt oft frühen Erfahrungen von Ohnmacht. Kinder, die sich unsicher oder ausgeliefert fühlten, entwickeln später ein tiefes Streben nach Vorhersehbarkeit. Kontrolle wird zur Strategie gegen alte Ängste. Sie gibt das Gefühl, nicht mehr wehrlos zu sein.
Doch das Leben bleibt unvorhersehbar, und kein Maß an Kontrolle kann dieses Grundgesetz aufheben.
Vom Festhalten zum Vertrauen
Die innere Wende beginnt, wenn wir merken: Kontrolle ersetzt kein Vertrauen. Erst wenn wir aufhören, das Unvermeidliche zu bekämpfen, entsteht innerer Raum. Vertrauen ist kein blindes Loslassen, sondern ein bewusstes Zulassen – zu wissen, dass Unsicherheit Teil des Lebens ist.
Atem, Achtsamkeit, Körperwahrnehmung helfen, wieder Kontakt zu sich selbst zu bekommen. So entsteht eine andere Form von Sicherheit: die, in sich zu ruhen.
Innere Sicherheit statt Kontrolle
Freiheit bedeutet nicht, dass nichts mehr Angst macht, sondern dass Angst nicht mehr über uns bestimmt. Kontrolle mag uns eine Zeit lang schützen, doch sie hält uns auch gefangen. Erst wenn wir bereit sind, nicht alles zu wissen, nicht alles zu planen und nicht alles festzuhalten, entsteht wirkliche Ruhe. Innere Sicherheit wächst nicht aus Kontrolle – sie wächst aus Vertrauen.