Warning: Undefined variable $sddesc in /home/.sites/322/site3555851/web/wp-content/themes/multani/parts/seo.php on line 105

Blog

Angst und Scham – wenn das Selbst sich verbergen will

Ein stilles Zwillingspaar der Seele: Angst und Scham gehören zu den tiefsten menschlichen Erfahrungen. Beide entstehen dort, wo das Selbst sich bedroht fühlt – Angst vor Gefahr, Scham vor Entblößung. Doch sie sind nicht dasselbe.

Angst ruft zum Rückzug auf, um uns zu schützen. Scham dagegen lässt uns unsichtbar werden. Sie sagt: „Ich bin falsch – ich sollte nicht so sein.“ Während Angst oft mit äußeren Gefahren verbunden ist, entsteht Scham aus dem Blick der anderen. Sie kann sich unbemerkt mit Angst verweben, wenn wir fürchten, im Innersten gesehen zu werden.

Die verborgene Macht der Scham

Scham ist ein schneidendes, oft körperlich spürbares Gefühl. Das Erröten, der Wunsch, im Boden zu versinken, das Vermeiden von Blickkontakt – all das sind Ausdrucksformen einer uralten Schutzreaktion.

Scham kann Menschen zutiefst plagen. Sie nagt am Selbstwert, erzeugt Einsamkeit und lässt uns an der eigenen Existenz zweifeln. Wer einmal in tiefer Scham gefangen war – sei es nach Zurückweisung, nach einem Missverständnis oder nach Grenzverletzung – weiß, dass dieses Gefühl lähmen, ja erstarren lassen kann.

In der Therapie zeigt sich Scham oft dort, wo Menschen sich für ihre Verletzlichkeit schämen, für ihre Körperlichkeit, für ihr Bedürfnis nach Nähe oder Trost.

Wenn Angst die Scham verdeckt

Oft tarnt sich Scham als Angst. Wer sich vor Gruppen fürchtet, fürchtet nicht nur das Sprechen, sondern die mögliche Bloßstellung. Die Angst, ausgelacht, kritisiert oder übersehen zu werden, trägt häufig den Schatten der Scham in sich – die tiefe Überzeugung, nicht richtig zu sein.

Doch es gibt auch Ängste, die frei von Scham sind: die Angst vor Krankheit, vor Kontrollverlust, vor Dunkelheit oder Tod. In diesen Fällen ist die Angst ein Signal realer oder symbolischer Bedrohung. Scham dagegen ist immer sozial. Sie entsteht im inneren Blick der anderen, oder genauer: im Blick, den wir uns selbst zumuten, wenn wir glauben, andere würden uns verurteilen.

Vom Sich-Verstecken zum Sich-Zeigen

Heilung von Scham beginnt nicht im Kopf, sondern im Erleben. Es braucht einen Raum, in dem man sich zeigen darf, ohne entwertet zu werden. Dort kann Scham langsam in Würde verwandelt werden.

Der Mensch erkennt, dass sein Bedürfnis nach Schutz, Anerkennung und Zugehörigkeit keine Schwäche ist, sondern Ausdruck seiner Menschlichkeit. Wenn Angst und Scham gemeinsam verstanden werden, wird sichtbar: Angst schützt das Leben, Scham schützt die Bindung. Beide verlieren ihre zerstörerische Kraft, wenn man sie ans Licht bringt – nicht als Feinde, sondern als Stimmen einer verletzlichen, mutigen Seele.

Nächster Beitrag:
Angst und Kontrolle – warum wir glauben, alles im Griff haben zu müssen →